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Aktuelles im Arbeitsrecht
Abmahnung eines Redakteurs - Verletzung der Anzeigepflicht
Autor: Dr. Michael Thorn, 27. März 2023, aktualisiert: 31. Juli 2023
Eine tarifliche Regelung sieht vor, dass ein angestellter Zeitschriftenredakteur seinem Verlag als Arbeitgeber zuvor eine Mitteilung machen muss, wenn er während seiner Arbeit eine Nachricht erhält, die er anderweitig verwerten will. Dies gibt dem Verlag die Möglichkeit, zu prüfen, ob die Veröffentlichung eigene berechtigte Interessen beeinträchtigt. Verstößt der Redakteur gegen diese Pflicht, kann eine Abmahnung ausgesprochen werden.
Hintergrund
Eine Abmahnung ist eine Rüge, die einem Arbeitnehmer erteilt wird, wenn er gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt. Sie ist in der Regel der erste Schritt einer arbeitsrechtlichen Maßnahme und soll dem Arbeitnehmer deutlich machen, dass sein Verhalten nicht akzeptabel ist und zu Konsequenzen führen kann, wenn er es nicht ändert. Wenn eine Redakteur als Arbeitnehmer gegen seine Anzeigepflicht verstößt, kann dies eine arbeitsrechtliche Abmahnung rechtfertigen.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften idF vom 4. November 2011 (MTV) Anwendung. Nach § 13 Ziffer 3 MTV bedarf eine Redakteurin bzw. ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihr/ihm bei ihrer/seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags. Der Arbeitsvertrag der Parteien verlangt anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion.
Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt ua. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte.
Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten – in der T.-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“.
Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, der Erlaubnisvorbehalt in § 13 Ziffer 3 MTV verletze ihn als Redakteur in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sowie in den weiteren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, außerdem in dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab und auch die Revision des Klägers vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts blieb erfolglos.
Die Abmahnung des Klägers durch die Beklagte aufgrund seiner Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 13 Ziffer 3 MTV war rechtens. Die Pflicht eines Redakteurs, den Verlag um Erlaubnis zur anderweitigen Veröffentlichung von ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordener Nachrichten zu bitten, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht.
Bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu beachten, dass der Verlag erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird, seine berechtigten Interessen gegen die beabsichtigte Veröffentlichung abzuwägen. Das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, muss daher regelmäßig hinter dem Interesse des Verlags zurückstehen.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger unter den gegebenen Umständen verpflichtet war, vor der Veröffentlichung des Artikels in der T.-Zeitung die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um gegebenenfalls die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber zu verhindern, während die Belange des Klägers dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt worden wären.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. Juni 2021 – 9 AZR 413/19 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. Juni 2019 – 4 Sa 970/18 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.6.2021
Hinweis Dieser Beitrag dient nur zu Informationszwecken und stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei konkreten Rechtsfragen sollten Sie immer einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren, um eine individuelle und fundierte Beratung zu erhalten.
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