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Das Gebot fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag
Autor: Dr. Michael Thorn, 9. März 2023
Das Gebot fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag besagt, dass bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen keine unfaire Verhandlungssituation geschaffen oder ausgenutzt werden darf, die die freie Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder unmöglich macht. Ein Verstoß gegen dieses Gebot kann zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags führen, wobei die Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.
Auch beim Aufhebungsvertrag gilt das Gebot des fairen Verhandelns.
Beim Aufhebungsvertrag stehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit jeweils eigenen Interessen gegenüber. Aber auch in diesem Fall gilt das Gebot des fairen Verhandelns. Ein Urteil des Bundesarbeitsgericht zeigt jetzt dessen Grenzen auf.
Aufhebungsvertrag oder Kündigung
Ein Aufhebungsvertrag kann eine Alternative zur Kündigung sein. Im Gegensatz zur Kündigung hat ein Aufhebungsvertrag den Vorteil, dass beide Parteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) freiwillig und im Einvernehmen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbaren.
Vorteil für den Arbeitgeber ist, dass er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Begründung aussprechen kann und auch keine Kündigungsfristen einhalten muss.
Vorteil für den Arbeitnehmer ist, dass er seine Verhandlungsposition nutzen kann. So kann er z.B. eine Abfindung oder eine längere Freistellung aushandeln. Der Arbeitnehmer muss sich aber genau überlegen, welche Vorteile er aus dem Aufhebungsvertrag ziehen möchte, weil er auf seinen Kündigungsschutz verzichtet.
Gebot des fairen Verhandelns
In den meisten Fällen wird ein Aufhebungsvertrag auf Vorschlag des Arbeitgebers geschlossen, der damit eine Kündigung vermeiden möchte. Dem Arbeitnehmer können Nachteile durch den Aufhebungsvertrag drohen, die gegen einen Aufhebungsvertrag sprechen können. In diesem Zusammenhang muss gewährleistet sein, dass auf den Arbeitnehmer kein unzulässiger Druck ausgeübt wird. Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags gilt das Gebot des fairen Verhandelns gemäß § 241 Abs. 2 BGB.
§ 241 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Somit bestimmt § 241 BGB, dass die Vertragspartner Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rücksicht nehmen müssen auf die Interessen, Rechte und Rechtsgüter des anderen. Eine Verletzung dieses Gebots tritt ein, wenn eine Partei unter Druck gesetzt wird oder eine unfaire Behandlung erfährt.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2022, 6 AZR 333/21
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2022 (Az.: 6 AZR 333/21) hat eine Grenze des Gebots des fairen Verhandelns aufgezeigt:
In diesem Fall haben sich der Arbeitgeber und eine Angestellte geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird. Grund dafür war, dass der Angestellten vorgeworfen wurde, heimlich Preise in einem Computerprogramm geändert zu haben, um höhere Gewinne vorzutäuschen. Der Geschäftsführer hat die Angestellte in sein Büro gerufen und ihr zusammen mit einem Anwalt den Vertrag vorgelegt, ohne ihr den Grund dafür zu nennen. Nach einer Pause von etwa zehn Minuten, in der niemand gesprochen hat, hat die Angestellte den Vertrag unterschrieben.
Eine Woche später hat die Angestellte den Vertrag, den sie unterschrieben hat, angefochten. Sie gab an, dass sie nur unterschrieben hat, weil ihr mit einer fristlosen Kündigung und einer Anzeige gedroht wurde, wenn sie nicht zustimmt. Sie hat um mehr Bedenkzeit gebeten, um rechtlichen Rat einzuholen, aber ihr wurde dies verweigert. Die Angestellte argumentierte, dass der Arbeitgeber gegen das Prinzip des fairen Verhandelns verstoßen hat. Jedoch wurde ihre Klage abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht hat wie bereits zuvor das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Gericht argumentierte, dass es keine unzulässige Drohung gegeben hat, da ein Arbeitgeber bei diesem Sachverhalt eine außerordentliche Kündigung und eine Strafanzeige in Erwägung ziehen darf.
Folglich lag kein unfaires Verhandeln seitens des Arbeitgebers vor. Die Angestellte sei nicht in ihrer Entscheidungsfreiheit verletzt worden, weil die Arbeitgeberin den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste. Das Gericht betonte, dass dies kein Fehlverhalten des Arbeitgebers darstellt, wenn er ein Angebot für einen Aufhebungsvertrag mit einer sofortigen Annahmebedingung unterbreitet.
Der Abschluss des Aufhebungsvertrags war demnach wirksam.
Aus der Pressemitteilung vom 24.2.2022
(Gekürzte Zusammenfassung aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.2.2022)
Ein Aufhebungsvertrag kann bei Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns unwirksam sein, was anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist. Die sofortige Annahme des Angebots durch den Arbeitnehmer aufgrund einer Forderung des Arbeitgebers ist allein kein Verstoß gegen die Rechte des Arbeitnehmers gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB, auch wenn dem Arbeitnehmer keine Bedenkzeit bleibt und er keinen Rechtsrat einholen kann.
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags. Die Klägerin wurde beschuldigt, Einkaufspreise in der EDV der Beklagten manipuliert zu haben, um einen höheren Verkaufsgewinn vorzutäuschen. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Klägerin den von der Beklagten vorbereiteten Aufhebungsvertrag, der eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vorsah. Die Klägerin hat den Vertrag wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Die Details des Gesprächsverlaufs sind umstritten.
Die Klägerin hat in ihrer Klage den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach dem 30. November 2019 gefordert. Sie behauptet, dass ihr eine außerordentliche Kündigung und eine Strafanzeige angedroht wurden, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben würde. Ihre Bitte um eine längere Bedenkzeit und um die Möglichkeit, Rechtsrat einzuholen, wurde abgelehnt, was gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen habe. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, während das Landesarbeitsgericht sie auf die Berufung der Beklagten hin abwies.
Die Revision der Klägerin vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts war erfolglos. Selbst wenn der von der Klägerin dargestellte Gesprächsverlauf zugunsten der Klägerin berücksichtigt wird, fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Die Beklagte hat nicht unfair verhandelt und somit nicht gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass der Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet wurde. Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage der vom Senat in der Entscheidung vom 7. Februar 2019 (- 6 AZR 75/18 -) entwickelten Maßstäbe zu dem gleichen Ergebnis gelangt.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20 –
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.2.2022
Hinweis Dieser Beitrag dient nur zu Informationszwecken und stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei konkreten Rechtsfragen sollten Sie immer einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren, um eine individuelle und fundierte Beratung zu erhalten.
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