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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Berücksichtigung von Dritt-Leistungen
Autor: Dr. Michael Thorn, 1. April 2023
Inwiefern können Leistungen Dritter, insbesondere Restricted Stock Units (RSUs), bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot berücksichtigt werden?
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Karenzentschädigung
Wettbewerbsverbot - Drittleistungen - Nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Berücksichtigung von Dritt-Leistungen: Gemäß § 74 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) berechnet sich die Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf Basis der vertragsmäßigen Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schuldet. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, die dem Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte Zeit von einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen abhält und ihm für diesen Zeitraum eine Entschädigung gewährt.
Der Begriff der "vertragsmäßigen Leistungen" ist im Zusammenhang mit dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eng zu verstehen. Er umfasst ausschließlich diejenigen Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Hierunter fallen beispielsweise das Grundgehalt, Zuschläge und weitere Vergütungsbestandteile, die im Arbeitsvertrag vereinbart wurden.
Andere Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer möglicherweise gewährt, wie etwa freiwillige Zusatzleistungen, Prämien oder Sonderzahlungen, fallen nicht unter den Begriff der vertragsmäßigen Leistungen und bleiben bei der Berechnung der Karenzentschädigung unberücksichtigt.
Dies ergibt sich aus dem Zweck und der Funktion des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, das den Arbeitnehmer davon abhalten soll, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Konkurrenz zum ehemaligen Arbeitgeber zu treten. Entsprechend ist es gerechtfertigt, nur diejenigen Leistungen zu berücksichtigen, die als Gegenleistung für die Arbeit des Arbeitnehmers vereinbart wurden und somit einen engen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweisen.
Gewährung von Restricted Stock Units
Sofern der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Restricted Stock Units = RSUs (RSUs – beschränkte Aktienerwerbsrechte) nicht mit seinem Vertragsarbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft der Unternehmensgruppe schließt, zu der der Vertragsarbeitgeber gehört, sind die seitens der Obergesellschaft gewährten RSUs bzw. die dem Arbeitnehmer nach Wegfall bestimmter Restriktionen zugeteilten Aktien grundsätzlich nicht Teil der "vertragsmäßigen Leistungen" iSv. § 74 Abs. 2 HGB.
Denn bei der Berechnung der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB sind ausschließlich diejenigen Leistungen zu berücksichtigen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Vertragsarbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Die Gewährung von RSUs durch die Obergesellschaft an den Arbeitnehmer hat jedoch keinen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vertragsarbeitgeber und erfolgt daher nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit.
Allerdings kann es Ausnahmen geben, wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung der RSUs durch die Obergesellschaft ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen ist. Hierbei kommt es aber auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an.
Zum Sachverhalt
Der Kläger war im Zeitraum von Januar 2012 bis Januar 2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und erhielt zuletzt ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 10.666,67 Euro brutto.
Die Beklagte ist Teil einer Unternehmensgruppe, deren Obergesellschaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Gemäß § 15 des Arbeitsvertrages des Klägers, welcher im Dezember 2011 geschlossen wurde, wurde eine neunmonatige konzernweite nachvertragliche Wettbewerbsklausel vereinbart, die eine Entschädigungszahlung vorsieht.
Diese Entschädigungszahlung soll sich auf die Hälfte der vom Kläger zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen belaufen und gilt pro Jahr des Verbots. Die Geltung der §§ 74 ff. HGB wurde ergänzend vereinbart.
Während des Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger am "RSU-Programm" der Obergesellschaft teil und erhielt auf Grundlage von getrennten Vereinbarungen mit dieser jährlich eine bestimmte Anzahl von RSUs.
Der Kläger hat eine Klage auf Zahlung von Karenzentschädigung in Höhe von insgesamt 80.053,65 Euro brutto nebst Zinsen erhoben, da er der Auffassung ist, dass die RSUs bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sind. Er fordert eine weitere Karenzentschädigung in Höhe von 8.894,85 Euro brutto monatlich für die Karenzzeit, über den von der Beklagten bereits gezahlten und vom Gericht erstinstanzlich zugesprochenen Betrag hinaus. Er argumentiert, dass es für die Schuldnerfrage der Leistungen nicht darauf ankomme, wer diese gewährt hat, da die Obergesellschaft Einfluss auf die Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis der Parteien habe.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streitgegenständlichen Umfang abgewiesen. Der Kläger hat seine Revision vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts verloren.
Das Landesarbeitsgericht hatte bereits festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Karenzentschädigung hat. Eine solche Forderung hätte nur dann bestanden, wenn die RSUs, die der Kläger von der Obergesellschaft erhalten hatte, als "vertragsmäßige Leistungen" im Sinne der Vereinbarung über die Karenzentschädigung gelten würden. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Vereinbarung den Wortlaut von § 74 Abs. 2 HGB aufgreift und daher nur die gesetzliche Mindestentschädigung vorsieht.
Der Begriff der "vertragsmäßigen Leistungen" im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB umfasst nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Da der Kläger die RSUs nicht von der Beklagten, sondern von der Obergesellschaft erhalten hatte, müsste die Beklagte ausdrücklich oder konkludent eine Verpflichtung übernommen haben, die RSUs bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen. Das war jedoch nicht der Fall, und das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Beklagte keine Verpflichtung eingegangen ist. Selbst wenn das Wettbewerbsverbot in § 15 des Arbeitsvertrags nicht dem Schutz der berechtigten geschäftlichen Interessen der Beklagten gedient hätte, hätte dies nur zur Rückführung der auferlegten Beschränkungen auf die zulässige Reichweite des Verbots geführt, aber nicht dazu, dass der Kläger eine Karenzentschädigung unter Berücksichtigung der RSUs verlangen könnte.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.08.2022
Hinweis Dieser Beitrag dient nur zu Informationszwecken und stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei konkreten Rechtsfragen sollten Sie immer einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren, um eine individuelle und fundierte Beratung zu erhalten.
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