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Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers

Richterin beim Arbeitsgericht

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Der Abfindungsanspruch im Arbeitsrecht

Obwohl es keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt, existieren im deutschen Arbeitsrecht vielfältige Möglichkeiten, unter denen ein Abfindungsanspruch entstehen kann. Der Artikel beleuchtet Szenarien, von der betriebsbedingten Kündigung nach § 1a KSchG über Sozial- und Tarifverträge bis hin zu individuellen Arbeitsverträgen und gerichtlichen Entscheidungen.


Insgesamt zeigt der Artikel die Komplexität des Themas und die Notwendigkeit, im Einzelfall die spezifischen Umstände sorgfältig zu prüfen. Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und im Zweifelsfall fachkundige rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um ihre Interessen bestmöglich zu vertreten. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, einen Abfindungsanspruch geltend zu machen.

Überblick zum Abfindungsanspruch

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dennoch existieren verschiedene Szenarien, in denen Arbeitnehmer einen Abfindungsanspruch geltend machen können. Dieser Artikel beleuchtet Möglichkeiten, unter denen ein Abfindungsanspruch entstehen kann.


1. Anspruch §1a Kündigungsschutzgesetz

Der § 1a KSchG bietet eine spezielle Möglichkeit für einen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung. Die Vorschrift nennt dafür folgende Voraussetzungen:


  • Der Arbeitgeber kündigt aus betriebsbedingten Gründen.

  • Im Kündigungsschreiben wird auf die Möglichkeit einer Abfindung nach § 1a KSchG hingewiesen.

  • Der Arbeitnehmer lässt die dreiwöchige Klagefrist verstreichen, ohne Kündigungsschutzklage zu erheben.


In diesem Fall entsteht ein Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr. Diese Regelung zielt darauf ab, langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden und beiden Parteien Planungssicherheit zu geben. In der Praxis findet sie aber kaum Anwendung, weil Arbeitgeber lieber abwarten, ob sich der Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehrt.


2. Abfindungsanspruch aus Sozialplan

Bei Massenentlassungen in größeren Unternehmen kann ein Sozialplan zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt werden:


  • Gilt für Betriebe mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern.

  • Der Sozialplan regelt den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer.

  • Abfindungen sind häufig Bestandteil von Sozialplänen.


Der im Sozialplan festgelegte Abfindungsanspruch ist für alle betroffenen Arbeitnehmer verbindlich und kann individuell eingeklagt werden.


3. Abfindungsanspruch aus Tarifvertrag

Einige Tarifverträge enthalten Regelungen zu Abfindungen:


  • Gilt nur für tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

  • Kann allgemeine Abfindungsregelungen oder spezifische Ansprüche für bestimmte Situationen (z.B. Rationalisierungsschutz) enthalten.

  • Die Höhe und Voraussetzungen variieren je nach Tarifvertrag.


Arbeitnehmer sollten prüfen, ob ihr Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag unterliegt und welche Abfindungsregelungen dieser gegebenenfalls vorsieht.


4. Anspruch aus Betriebsvereinbarung

Ähnlich wie Tarifverträge können auch Betriebsvereinbarungen Abfindungsansprüche begründen:


  • Gilt für alle Arbeitnehmer des Betriebs, unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft.

  • Kann allgemeine oder situationsspezifische Abfindungsregelungen enthalten.

  • Muss zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelt werden.


Betriebsvereinbarungen können flexibler auf die spezifische Situation des Unternehmens eingehen als Tarifverträge.


5. Anspruch aus Arbeitsvertrag

Individuelle Arbeitsverträge können ebenfalls Abfindungsklauseln enthalten:


  • Häufiger anzutreffen bei Führungskräften oder in bestimmten Branchen.

  • Kann konkrete Summen oder Berechnungsformeln festlegen.

  • Gilt nur für das individuelle Arbeitsverhältnis.


Solche vertraglichen Vereinbarungen sind bindend, sofern sie nicht gegen zwingendes Recht verstoßen.


6. Anspruch bei gerichtlicher Auflösung

In bestimmten Fällen kann das Arbeitsgericht auf Antrag einer Partei das Arbeitsverhältnis auflösen und eine Abfindung festsetzen:


  • Grundlage ist § 9 KSchG.

  • Kommt in Betracht, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.

  • Das Gericht legt die Höhe der Abfindung fest (bis zu 12 Monatsgehälter, bei älteren Arbeitnehmern mit langer Betriebszugehörigkeit bis zu 18 Monatsgehälter).


Diese Möglichkeit besteht nur im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses.


7. Anspruch aus Aufhebungsvertrag

Der Aufhebungsvertrag begründet nicht von sich aus einen Anspruch. In der Praxis ist er aber eine häufige Quelle für Abfindungen, weil die Parteien eine Abfindung vereinbaren


  • Freiwillige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

  • Kann eine Abfindung als Teil der Bedingungen für die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten.

  • Bietet Flexibilität für individuelle Lösungen.



Arbeitnehmer sollten bei Aufhebungsverträgen vorsichtig sein und sich rechtlich beraten lassen, da sie auf Kündigungsschutz und andere Rechte verzichten. Ferner droht ihnen eine Sperrfrist.


8. Anspruch bei Änderungskündigung

Bei einer Änderungskündigung kann unter bestimmten Umständen ein Abfindungsanspruch entstehen:


  • Der Arbeitnehmer nimmt das geänderte Vertragsangebot unter Vorbehalt an.

  • Er klagt erfolgreich gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen.

  • Das Gericht stellt fest, dass die Änderung sozial ungerechtfertigt war.


In diesem Fall kann der Arbeitnehmer zwischen der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen oder der Beendigung gegen Abfindung wählen.


9. Anspruch bei Massenentlassungen

Bei Massenentlassungen gelten besondere Regeln, die indirekt zu Abfindungsansprüchen führen können:


  • Pflicht zur Anzeige bei der Agentur für Arbeit (§ 17 KSchG).

  • Verpflichtung zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und Sozialplans.

  • Bei Verstoß gegen diese Pflichten können Arbeitnehmer Nachteilsausgleich fordern, der oft in Form einer Abfindung gewährt wird.


Diese Regelungen sollen den Schutz der Arbeitnehmer bei größeren Personalabbaumaßnahmen sicherstellen.


10. Gleichbehandlungsgrundsatz

In manchen Fällen kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu einem Abfindungsanspruch führen:


  • Wenn der Arbeitgeber in vergleichbaren Fällen Abfindungen gezahlt hat.

  • Der Arbeitnehmer kann sich auf eine betriebliche Übung berufen.

  • Es darf keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung geben.


Dieser Anspruch ist in der Praxis oft schwer durchzusetzen, da die Vergleichbarkeit der Fälle im Einzelnen nachgewiesen werden muss.


Fazit

Obwohl es keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt, existieren vielfältige Möglichkeiten, unter denen ein Abfindungsanspruch entstehen kann. Von gesetzlichen Regelungen über tarifvertragliche und betriebliche Vereinbarungen bis hin zu individuellen Vertragsgestaltungen und gerichtlichen Entscheidungen – die Quellen für Abfindungsansprüche sind vielfältig.


Arbeitnehmer sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und im Falle einer Kündigung oder Vertragsauflösung sorgfältig prüfen, ob ein Abfindungsanspruch bestehen könnte. Aufgrund der Komplexität des Themas und der potenziell weitreichenden Konsequenzen ist es in vielen Fällen ratsam, fachkundige rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft und die individuellen Interessen bestmöglich gewahrt werden.



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Dr. Michael Thorn  Rechtsanwalt
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Beatrice v. Wallenberg  Rechtsanwältin und  Fachanwältin für Arbeitsrecht
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