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Der Tarifvertrag ist ein Instrument des kollektiven Arbeitsrechts in Deutschland. Er regelt die Rechte und Pflichten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und spielt eine Rolle bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Tarifverträge werden zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern ausgehandelt und setzen verbindliche Standards für Löhne, Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und andere Arbeitsbedingungen.
Die rechtliche Grundlage für Tarifverträge bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG). Gemäß § 1 TVG regeln Tarifverträge
"die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthalten Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können".
Tarifverträge haben eine doppelte Funktion: Sie schaffen einerseits Rechtsnormen für die Arbeitsverhältnisse (normativer Teil) und regeln andererseits die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (schuldrechtlicher Teil). Ihre Bedeutung für die Arbeitswelt ist erheblich - zum 1.10.2016 waren im Tarifregister des Bundesarbeitsministeriums rund 71.900 gültige Tarifverträge eingetragen.
Grundlagen
Das Recht, Tarifverträge abzuschließen, ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt. Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert die Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit. Dies bedeutet, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände das Recht haben, die Arbeitsbedingungen ohne staatliche Einflussnahme auszuhandeln.
Die Geschichte des Tarifvertragsrechts in Deutschland reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Aufkommen der Arbeiterbewegung entstanden die ersten kollektiven Vereinbarungen zwischen Arbeitern und Unternehmern. Der erste reichsweite Tarifvertrag wurde 1873 im Buchdruckergewerbe abgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung erfolgte erstmals 1918 mit der "Verordnung über Tarifverträge, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse und Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1949 das Tarifvertragsgesetz (TVG) verabschiedet, welches bis heute die zentrale Rechtsgrundlage für Tarifverträge darstellt.
Arten von Tarifverträgen
Es gibt verschiedene Arten von Tarifverträgen, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Arbeitsverhältnisse regeln:
Manteltarifverträge: Diese regeln die grundlegenden Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Urlaub, Kündigungsfristen und andere allgemeine Bestimmungen. Sie haben in der Regel eine längere Laufzeit von mehreren Jahren.
Entgelt- oder Lohntarifverträge: Diese legen die Höhe der Löhne und Gehälter fest. Sie haben meist kürzere Laufzeiten von einem bis zwei Jahren und werden häufiger neu verhandelt.
Rahmentarifverträge: Sie enthalten Regelungen zur Eingruppierung von Arbeitnehmern in bestimmte Lohn- oder Gehaltsgruppen.
Sondertarifverträge: Diese regeln spezielle Themen wie betriebliche Altersvorsorge, Altersteilzeit oder Qualifizierungsmaßnahmen.
Tarifvertragsparteien
Gemäß § 2 Abs. 1 TVG können Tarifverträge nur von bestimmten Parteien abgeschlossen werden:
"Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern."
Dabei müssen die Tarifvertragsparteien bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
Tariffähigkeit: Dies ist die rechtliche Fähigkeit, Tarifverträge abzuschließen. Für Gewerkschaften bedeutet dies, dass sie eine gewisse soziale Mächtigkeit besitzen müssen, um als ernstzunehmender Verhandlungspartner auftreten zu können.
Tarifzuständigkeit: Die Parteien müssen für den jeweiligen Bereich, für den sie einen Tarifvertrag abschließen wollen, zuständig sein.
Geltungsbereich
Tarifverträge haben unterschiedliche Geltungsbereiche:
Räumlicher Geltungsbereich: Ein Tarifvertrag kann für das gesamte Bundesgebiet, einzelne Bundesländer oder nur für bestimmte Regionen gelten.
Fachlicher Geltungsbereich: Dies bezieht sich auf die Branche oder den Wirtschaftszweig, für den der Tarifvertrag gilt.
Persönlicher Geltungsbereich: Hier wird festgelegt, für welche Arbeitnehmergruppen (z.B. gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte) der Tarifvertrag gilt.
Tarifbindung
Ein zentraler Aspekt des Tarifvertragsrechts ist die Tarifbindung. Sie bestimmt, für wen ein Tarifvertrag gilt. Gemäß § 3 Abs. 1 TVG sind tarifgebunden:
"Die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist."
Das bedeutet:
Ein Arbeitnehmer muss Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft sein.
Der Arbeitgeber muss entweder Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes sein oder selbst den Tarifvertrag abgeschlossen haben.
Es gibt jedoch Möglichkeiten, wie auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer oder Arbeitgeber von einem Tarifvertrag erfasst werden können:
Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag: Der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen.
Allgemeinverbindlicherklärung: Ein Tarifvertrag kann durch das Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt werden. In diesem Fall gilt er für alle Arbeitsverhältnisse in seinem Geltungsbereich, unabhängig von einer Mitgliedschaft der Parteien.
Wirkung von Tarifverträgen
Die Wirkung von Tarifverträgen ist in § 4 TVG geregelt:
"Die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen."
Dies hat mehrere wichtige Konsequenzen:
Unmittelbare Wirkung: Die Bestimmungen des Tarifvertrags gelten automatisch für die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse, ohne dass sie in den individuellen Arbeitsvertrag übernommen werden müssen.
Zwingende Wirkung: Von den tariflichen Bestimmungen darf grundsätzlich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden.
Günstigkeitsprinzip: Abweichungen vom Tarifvertrag sind nur zulässig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind (§ 4 Abs. 3 TVG).
Nachwirkung von Tarifverträgen
Ein wichtiger Aspekt des Tarifvertragsrechts ist die Nachwirkung. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG gilt:
"Nach Ablauf des Tarifvertrages gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden."
Dies bedeutet, dass die Bestimmungen eines Tarifvertrags auch nach seinem Ablauf weiterhin Gültigkeit behalten, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird oder die Arbeitsvertragsparteien eine abweichende Vereinbarung treffen. Die Nachwirkung schützt Arbeitnehmer vor einem plötzlichen Wegfall tariflicher Leistungen.
Tarifpluralität und Tarifeinheit
In der Praxis kann es vorkommen, dass für ein Unternehmen oder einen Betrieb mehrere Tarifverträge gelten (Tarifpluralität). Dies kann zu Konflikten führen, insbesondere wenn verschiedene Gewerkschaften für die gleiche Arbeitnehmergruppe Tarifverträge abschließen. Um solche Konflikte zu lösen, wurde 2015 das Tarifeinheitsgesetz verabschiedet. Es sieht vor, dass bei kollidierenden Tarifverträgen in einem Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern anwendbar ist. Diese Regelung ist jedoch umstritten und wurde teilweise vom Bundesverfassungsgericht eingeschränkt.
Praktische Bedeutung
Tarifverträge haben eine enorme praktische Bedeutung für das Arbeitsleben. Sie setzen Standards für ganze Branchen und beeinflussen auch die Arbeitsbedingungen nicht tarifgebundener Unternehmen, die sich oft an tariflichen Regelungen orientieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.Einige Beispiele für die Wirkung von Tarifverträgen:
Lohnfindung: In vielen Branchen werden die Löhne und Gehälter durch Tarifverträge festgelegt. So sieht etwa der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ein komplexes System von Entgeltgruppen und -stufen vor.
Arbeitszeit: Tarifverträge regeln oft die wöchentliche Arbeitszeit. In der Metall- und Elektroindustrie wurde beispielsweise die 35-Stunden-Woche tarifvertraglich vereinbart.
Urlaubsanspruch: Viele Tarifverträge sehen einen höheren Urlaubsanspruch vor als das gesetzliche Minimum von 24 Werktagen.
Sonderzahlungen: Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind häufig in Tarifverträgen geregelt.
DR. THORN Rechtsanwälte
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