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Aktuelles im Arbeitsrecht
Zurückweisung der Kündigung - § 174 BGB
Autor: Dr. Michael Thorn, 10. Juni 2023
Wussten Sie, dass eine Kündigung durch eine Zurückweisung zu Fall gebracht werden kann? Das wird in § 174 BGB geregelt, eine vielen unbekannte Vorschrift. Weil die Zurückweisung eine Kündigung unwirksam machen kann, sollten Sie die Funktionsweise kennen.
1. Vertretung bei der Kündigung
Für die rechtswirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist nötig, dass sie von einer hierzu befugten Person ausgesprochen wird. Das ist unproblematisch, wenn der Arbeitgeber eine natürliche Person ist (z.B. Maler Meier). Dann unterschreibt der Arbeitgeber einfach selbst die Kündigung.
Schwieriger wird es, wenn Arbeitgeber eine Gesellschaft ist (z.B. Maler Maier GmbH): Gesellschaften können nicht selbst handeln. Sie werden dabei durch ihre Organe vertreten. Das zur Vertretung berechtigte Organ einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sind die Geschäftsführer. Hier ist alles unproblematisch, wenn ein zur Einzelvertretung befugter Geschäftsführer die Kündigung eigenhändig unterzeichnet, wie dies in § 35 GmbHG (Vertretung der Gesellschaft) geregelt ist:
(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten [...]
(2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. [...]
(3) [...]
Bei einer größeren Gesellschaft besteht aber ein Bedürfnis zu einer Delegierung von Aufgaben, etwa der Unterzeichnung einer Kündigung, wenn nicht alle Kündigungen ein Geschäftsführer unterzeichnen kann. Diese Aufgabe wird häufig an eine Personalabteilung delegiert. Das Gesetz ermöglicht es die Vertretungsbefugnis auf eine dritte Person zu übertragen. Und damit sind wir an der Stelle angelangt, an der § 174 BGB ins Spiel kommt.
2. Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB
Die Vorschrift § 174 BGB bestimmt für einseitige Rechtsgeschäfte, zu denen die Kündigung zählt, dass ein Bevollmächtigter eine Vollmachtsurkunde vorlegen muss, wenn er eine Kündigung unterzeichnet und übergibt. Hier der Wortlaut der Regelung:
§ 174 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten: Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
Der Hintergrund der Regelung ist schnell erklärt: Wenn jemand eine einseitige Willenserklärung von einer Person erhält, die in Vertretung auftritt, also z.B. bei einer Kündigung, die für einen die GmbH erklärt wird, soll der Empfänger geschützt werden, indem § 174 BGB sicherstellt, dass er über die Vertretungsbefugnis des Handelnden informiert ist.
Bei einem Geschäftsführer ergibt sich diese Information bereits sich aus dem Handelregister, in dem er eingetragen ist. Somit ist eine gesonderte Unterrichtung des Empfängers nicht nötig. Aber ob ein Mitarbeiter der Personalabteilung befugt ist, kann der Empfänger der Erklärung nicht wissen. Hier greift § 174 BGB: Wer als Vertreter eine Kündigung vornimmt, muss - gleichzeitig - eine Originalvollmacht zu seiner Legitimation vorlegen. Macht er das nicht, kann der Empfänger, allein aus diesem Grund, die Kündigung zurückweisen.
Vollmacht im Original nötig
Durch § 174 BGB wird somit bestimmt, dass die Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt werden muss. Üblicherweise reicht es im Rechtsverkehr aus, wenn eine Vollmacht überhaupt existiert. Sie muss bei der Vornahme des Geschäfts oder bei Abgabe einer Willenserklärung nicht unbedingt vorgezeigt oder übergeben werden. § 174 BGB macht hingegen ausdrücklich erforderlich, dass die Vollmachtsurkunde im Original dem Empfänger ausgehändigt wird. Die Übergabe einer bloßen Kopie reicht hier nicht aus und kann dazu führen, dass das beabsichtigte Geschäft, d.h. die Vornahme einer Kündigung, scheitert, wenn aus diesem Grund die Zurückweisung erklärt wird.
Mit Originalvollmacht kündigen
Die Besonderheit des § 174 BGB ist, dass die Vollmachtsurkunde im Original gemeinsam mit der Kündigung vorgelegt werden muss. Dies bedeutet, dass die Vollmacht nicht irgendwann, etwa auf Nachfrage, sondern bei Übergabe der Kündigung im Original gleichzeitig übergeben werden muss.
In der Praxis wird das häufig übersehen. Was weiter übersehen wird: Wird die Vollmacht nicht gleichzeitig vorgelegt, ist eine Nachreichung der Originalvollmacht nicht mehr möglich. Die mißglückte Kündigung ist in einem solchen Fall nicht mehr zu retten, sondern muss erneut erklärt werden.
Zurückweisungsrecht des § 174 BGB
Eine weitere Besonderheit des § 174 BGB ist, die mit dessen Schutzcharakter zu tun hat, ist, dass Folgen nur dann eintreten, wenn der Empfänger aktiv wird. So gibt § 174 BGB dem Empfänger, üblicherweise ein Arbeitnehmer, das Recht die Kündigung zurückzuweisen, wenn die Kündigung ohne Originalvollmacht übergeben wird. Weil § 174 BGB eine Vorschrift zum Schutz des Empfängers ist, hat der Gesetzgeber die Rechtsfolgen der Regelung davon abhängig gemacht, dass der Empfänger die fehlende Originalvollmacht aktiv rügt. Wenn er die Kündigung nicht zurückweist, ist die Kündigung deshalb wirksam, auch ohne übergebene Originalvollmacht.
Die Rechtsfolgen des § 174 BGB machen daher ein Tätigwerden des Empfängers erforderlich. Wer passiv bleibt, kann sich später nicht nachträglich auf § 174 BGB berufen.
Achtung: § 174 BGB hat eine sehr kurze Frist
Somit steht bereits fest: Der Empfänger muss aktiv werden. Der Gesetzgeber hat aber eine weitere Verschärfung parat: So gewährt § 174 BGB nur eine sehr kurze Frist zum Tätigwerden: Die Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmacht muss vom Empfänger nämlich "unverzüglich" erklärt werden.
Was ist nun unter "unverzüglich" zu verstehen. In § 174 BGB findet sich keine Erläuterung, was unter "unverzüglich" zu verstehen sein soll. Obwohl der Begriff "unverzüglich" in § 174 BGB nicht definiert wird, gibt es dennoch eine Regelung. Im Recht wird einfach eine Regelung, die bereits an anderer Stelle getroffen wurde, auch hier angewendet: Für § 174 BGB gilt die Definition in § 121 Absatz 1 Satz 1 BGB. "Unverzüglich" bedeutet nach dieser Regelung „ohne schuldhaftes Zögern“.
Damit wird freilich erst einmal nur der eine unbestimmte Begriff durch einen nicht weniger unbestimmten Begriff ersetzt. Daher musste durch die Rechtsprechung geklärt werden, was letztlich "unverzüglich" bedeutet. Dies ist durch die Gerichte geschehen, die in konkreten Fällen klären mussten, ob die Zurückweisung "ohne schuldhaftes Zögern" vorgenommen wurde. In den Urteilen wird betont, dass in der Praxis die Frist durch den jeweiligen Einzelfall bestimmt wird. Allerdings hat sich eine Faustregel herausgebildet: Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass die Höchstfrist eine Woche beträgt.
Der Arbeitnehmer muss deshalb nach Erhalt der Kündigung schnell handeln. Er muss innerhalb weniger Tage klären, ob eine Zurückweisung in Betracht kommt und vorgenommen werden soll. Zugleich muss ohne Zögern die Zurückweisung vorgenommen werden.
Sobald ein Fall des § 174 BGB aufgedeckt wird oder eine Zurückweisung auch nur möglich erscheint. sollte im Zweifel sofort die Zurückweisung erklärt werden. Wir raten, sich sofort mit einem Anwalt in Verbindung zu setzen.
3. Zurückweisung ausgeschlossen
Nicht immer ist eine Zurückweisung möglich. Mitunter ist sie durch § 174 BGB ausgeschlossen. Das ist der Fall, wenn der Empfänger vom Vollmachtgeber über die Bevollmächtigung informiert worden ist. Dann ist er nicht schutzbedürftig, weil er die Sitution beurteilen kann, da ihm die Vertretungsbefugnis bekannt ist. Ein Recht zur Zurückweisung besteht dann nicht.
Diese Rechtsfolge ergibt sich aus Satz 2 der Vorschrift: § 174 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten, Satz 2: Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.
Damit dieser Ausschluss erfolgt, ist allerdings notwendig, dass der Vertretene den Empfänger davon in Kenntnis setzt. Eine zufällige Kenntniserlangung über Dritte reicht hierfür nicht aus. Allerdings gilt auch hier: Keine Regel ohne Ausnahme. So ist auch ein stillschweigendes (= konkludentes) Inkenntnissetzen möglich.
Ebenso ist die Zurückweisung ausgeschlossen, wenn der Ausspruch der Kündigung durch eine Person erfolgt ist, die üblicherweise hierzu bevollmächtigt ist, z.B. der Chef der Personalabteilung. In einem solchen Fall wird ebenfalls angenommen, dass es des Rechts der Zurückweisung nicht bedarf, weil ein Empfänger die Befugnis kennt oder mit einer solchen Befugnis rechnen muss.
FAQ Zurückweisung der Kündigung
Was ist eine Zurückweisung der Kündigung gemäß § 174 BGB?
Eine Zurückweisung wird vom Empfänger einer Kündigung erklärt, wenn ein Bevollmächtigter keine Vollmacht mit der Kündigung vorgelegt hat. Diese Zurückweisung ist von weitreichender rechtlicher Bedeutung, denn Folge ist, dass gemäß § 174 BGB die Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft unwirksam ist. Eine wirksam zurückgewiesene Kündigung kann das Arbeitsverhältnis nicht beenden.
Wann kann eine Kündigung zurückgewiesen werden?
Eine Zurückweisung gemäß § 174 BGB kommt in Betracht, wenn bei der Übergabe eine Kündigung durch einen Bevollmächtigten nicht gleichzeitig das Original seiner Vollmachtsurkunde vorgelegt wird. Voraussetzung für die Anwendung von § 174 BGB ist, dass die Kündigung nicht vom Vertragspartner selbst erklärt wird, sondern von einer hierzu bevollmächtigten Person. In der Praxis kommt das häufig vor. Für diesen Fall bestimmt § 174 BGB, dass der Unterzeichner gleichzeitig mit Übergabe der Kündigung die legitimierende Vollmacht durch Vorlage einer Originalvollmacht nachweisen muss.
Was bedeutet "unverzüglich" bei der Zurückweisung?
Für die Zurückweisung regelt § 174 BGB dass die Zurückweisungserklärung "unverzüglich" zu erfolgen hat. In der Vorschrift ist aber kein konkreter Zeitraum angegeben . Daher fragt man sich wie lange "unverzüglich" in der Praxis ist. Das Wort "unverzüglich" wird zwar in § 174 BGB nicht definiert. Dafür gibt es aber in § 121 BGB eine sogenannte Legaldefinition, die allgemein im Recht gilt. Hiernach ist "unverzüglich" gleichbedeutend "ohne schuldhaftes Zögern". Damit wird ein Zeitraum eineräumt, in dem der Empfänger Gelegenheit hat zu überlegen bzw. sich beraten zu lassen wie er auf die Kündigung reagieren will. Weil die Zeitspanne nicht für alle Situationen gleich zu bemessen ist, ist kein konkreter Zeitraum angegegeben. Da der Empfänger seine Erklärung "ohne schuldhaftes Zögern" abgeben muss, wird in der Praxis von einer Frist von wenigen Tagen bis maximal einer Woche ausgegangen. Denn in diesem Zeitraum ist eine Abklärung in der Regel möglich.
Ist "unverzüglich" dasselbe wie "sofort"?
Umgangssprachlich könnte "unverzüglich" dasselbe meinen wie "sofort". In der Rechtssprache werden die beiden Begriffe aber nicht synonym verwendet. Hier wird unter "sofort" verstanden, dass ohne jede Verzögerung gehandelt werden muss. Mit dem Wort "unverzüglich", in der Legaldefinition "ohne schuldhaftes Zögern", wird eine zeitliche Dynamisierung eingeführt. Im Gegensatz zu "sofort", das keine Verzögerung zuläßt, gewährt "unverzüglich" einen gewissen, wenn auch sehr knapp bemessenen, Zeitraum zur Handlung und Entscheidung.
Hinweis Dieser Beitrag dient nur zu Informationszwecken und stellt keine rechtliche Beratung dar. Bei konkreten Rechtsfragen sollten Sie immer einen Anwalt für Arbeitsrecht konsultieren, um eine individuelle und fundierte Beratung zu erhalten.
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